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”The Choice” 01
 

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"Inspector Willson !!" Als der riesige Rothäutige seinen Namen hörte, blickte er von dem Bericht auf seinem Schreibtisch auf und runzelte die Stirn, denn der Polizist, der nach ihm rief, war mehr als nur aufgeregt und sichtbar bleich. Nun doch mißtrauisch werdend, stand er auf, ging zu ihm und fluchte, als er sah, daß dieser einen Zettel schwenkte. "Inspector - wir haben einen weiteren Mord. Ein Mann wurde tot aufgefunden und ... und ..." Dem jungen Polizisten schwankte die Stimme und er mußte schlucken, damit er sich nicht übergab und reichte den Zettel weiter, ehe er sich umdrehte und auf die Toilette rannte, um sich dort zu übergeben. Willard fluchte noch einmal und las sich den kurzen Bericht durch, ehe er lauter fluchte und nach seinem Sohn brüllte. "Deacon ! Komm mit, Detective Milner ist gerade an einem anderen Fall !"

Deacon hatte die Szene schon mitbekommen, wenn auch nur nebenher, da er gerade gewissenhaft einen Bericht in den PC eintippte. Als sein Vater nach ihm brüllte, zuckte er leicht zusammen und speicherte ab, ehe er aufstand und zu dessem Büro ging. Sein Vater war sein Vorgesetzter, und das paßte ihm nicht wirklich. Der Rote würde gern in einem anderen Revier arbeiten, aber das ließ sein Vater irgendwie nicht zu. “Was gibt es denn ?”

"Einen neuen Mord - und so, wie es aussieht, ist es der gleiche Täter wie bei dem Pensionisten letzte Woche. Wir müssen hin, um uns den Tatort anzusehen ... aber es sieht fast danach aus." Willard wußte, daß sein Sohn lieber auf ein anderes Revier wollte - doch er erlaubte es nicht, da er ihn bei sich haben wollte. Der große Rote war mehr als nur stolz auf seinen Sohn ... denn dieser hatte hart daran gearbeitet, schon mit sechzehn seinen Highschool-Abschluß zu haben und auf die Polizeiakademie zu gehen, diese mit besten Noten bestanden und als Polizist in seinem Revier so gut gearbeitet, daß er ihn vor zwei Monaten zum Detective ernennen konnte. Auch wenn Deacon eine Handbreit kleiner und nicht ganz so kräftig war, da die Zartheit seiner Mutter durchkam - es war Willard egal, denn sein Sohn konnte sich mit jedem auf dem Revier messen und es erfüllte ihn ein jedes Mal mit tiefem, väterlichen Stolz, wenn er ihn sah. Noch während er an all das dachte, stand der ältere Rote auf und nahm seine Jacke, nickte zu Deacon und ging nach ihm aus dem Büro. "Das CSI ist schon vor Ort - aber sie warten noch mit dem Aufnehmen der Daten, bis wir dort sind, um es uns ebenfalls anzusehen."

“Kein Wunder, daß Marley gekotzt hat.” murmelte Deacon, und folgte seinem Vater zum Dienstwagen. Der letzte Mord dieser Art war grausam und widerlich gewesen ... oder besser gesagt, einfach zu pervers. Auf der Fahrt erinnerte er sich, und schauderte innerlich. Er hatte schon einiges gesehen, aber das war wirklich eines der schlimmsten Sachen. Das Opfer war ein Gefängniswärter, der vor zwei Jahren in Pension gegangen war. Er war dazu gezwungen worden, sich seinen Penis oder die Hoden abzuschneiden. Vor ihm stand eine alte Pendelwaage mit angeklebten Gewichten, und zwei Schalen. Auf einer waren Hoden mit Blut aufgemalt, auf der anderen ein Penis. Und man hatte ihn scheinbar eine Minute Zeit gegeben sich zu entscheiden, denn dort war auch eine blutgefüllte Sanduhr, die nach einer Minute ablief. An dessen Schläfe war der Abdruck einer Pistole zu sehen, die so fest an den Kopf gedrückt war, daß er mehr als deutlich zu sehen war. “Wenn das auch so ist, haben wir einen perversen Serientäter.”

Die Bemerkung ließ Willard kurz aufseufzen, dann startete er den Wagen und fuhr aus dem Fuhrpark in die Richtung des Tatorts. "Nicht ganz ... aber es scheint trotzdem der gleiche Täter zu sein, zumindest deutet alles darauf hin. Auch hier haben wir einen pensionierten Gefängniswärter - und auch die Blut-Sanduhr ist da, und der Pistolenabdruck an der Schläfe. Sogar diese verdammte Pendelwaage ist da ... nur sind diesmal auf der einen Waagschale Hände aufgemalt, und auf der anderen Schale Füße. Und mitten in seinem Wohnzimmer stehen eine Kreissäge und eine Handkreissäge, damit er sich entweder das eine oder das andere absägen konnte. Er entschied sich für die Füße und schnitt sie mit der Handkreissäge ab - und verblutete wie der Andere, der sich die Hoden abschnitt. Ein einziges Fiasko ... der Commissioner wird mir den Kopf abreißen, wenn das an die Presse geht, wir brauchen unbedingt mehr Leute, um uns die Pressegeier vom Hals zu halten."

“Autsch.” murmelte Deacon, und seufzte leise wegen der Presse. Die Kerle waren nerviger als die Pest, und hielten sie meist von der Arbeit ab. “Gut, daß ich so viel einstecken kann, das ist sicher kein angenehmes Bild.” Es kam immer wieder vor, daß Polizisten in der Gegend herumkotzten, und fast den Tatort damit versauten.

"Jep - Smith war als erster vor Ort, nachdem die Frau des Opfers die Polizei rief, und kam gerade noch raus, ehe er in die Büsche kotzte. Mir reichte es schon beim letzten Mal - die vom CSI schimpfen noch immer, daß sie beim letzten Tatort die ganze Kotze wegwischen mußten, weil drei der Streifenpolizisten in die Wohnung kotzten." Sicherlich war es ein grausiger Anblick gewesen - doch so viel mußte ein Polizist schon verkraften können. Dann waren sie allerdings schon da und Willard hielt bei den anderen Streifenwägen, stieg aus und fluchte leise, als er schon die Reporter sah, die von einigen Polizisten zurückgehalten wurden. "Laßt keinen von diesen Aasgeiern durch - verstanden ?!"

Die Polizisten nickten nur, und hielten die Presse weit genug vom Tatort entfernt. Deacon folgte seinem Vater in die Wohnung, und ging an ein paar bleichen Polizisten vorbei. Als er eintrat, blieb er kurz in der Tür stehen und atmete tief ein. Er war schon hart im Nehmen, aber das hier war wirklich schlimm. Der ganze Boden war voller Blut, und die Füße lagen abgesägt neben der Handkreissäge.

Sein Vater hingegen fluchte wieder leise und ließ sich von einem der CSI-Mitarbeiter Handschuhe geben, reichte auch Deacon welche und kniete sich neben die Leiche, die von einem anderen CSI-Mitarbeiter untersucht wurde. "Ich habe im Bericht gelesen, daß es wieder einen Pistolenabdruck an der Schläfe gab - ist das richtig ?" Der Mann nickte nur grimmig und wies mit seinem Stift darauf, ehe er seufzte und zu erzählen begann. "Er hat sich mit der Handkreissäge beide Füße unterhalb der Fesselknochen abgesägt - doch er wußte nicht, wie man die Blutung stillt, scheinbar hat er nur seine Hände daraufgehalten, anstatt den Gürtel oder ähnliche Dinge zu nehmen, um die Blutung durch einen Druckverband aufzuhalten. Sein Mörder scheint zu diesem Zeitpunkt schon von ihm entfernt gewesen zu sein - das Blut spritzte durch die Handkreissäge überall hin und wir fanden keine Stelle, an der die Spritzer fehlen würden, die dann ohne Zweifel auf den Mörder gefallen wären. Dieser Kerl muß verdammt klug sein - und völlig kalt und gewissenlos, daß er dem Mann das antun konnte. Er war ein einfacher Pensionär, und alle Nachbarn sagen einhellig, daß er sehr friedlich und immer freundlich war. Wie kann man ihn dazu zwingen, sich entweder die Hände oder die Füße abzuschneiden ?"

“Es gab letzte Woche ja einen ähnlichen Fall.” murmelte Deacon, und betrachtete die Waage und die Sanduhr. Sie waren das gleiche Modell wie die von letzter Woche, und damit bestand zu einhundert Prozent ein Zusammenhang.

Daß die Fälle sich ähnelten, wußte Willard und er knurrte leise, denn somit war es eindeutig ein Serientäter. Einen, den sie schnappen mußten, ehe er noch weitere Morde beging - und das so schnell wie möglich, denn er wußte aus seiner Erfahrung, daß die Täter zumeist Gefallen an ihrem Tun fanden und den Kick nach jedem Mord schneller brauchten. "Sichert alles - Fingerabdrücke, Haare, alle DNA, die ihr finden könnt. Ich will dieses Schwein so schnell wie möglich fassen, bevor er weitermordet. Und vor allem bringt diese widerliche Sanduhr ins Labor - sie sollen sofort untersuchen, ob es das gleiche Blut ist, dieser Fall geht vor !" Die Männer vom CSI nickten nur und arbeiteten mehr als nur gründlich, während der große Inspector aufstand und zu seinem Sohn ging, der noch immer bei der Waage und der Uhr stand. "Ich frage mich schon die ganze Zeit, wieso er sie vor die Wahl stellt ... es gibt im Moment nur wenig, das sich gleicht: Die Uhr, die Waage, und daß das Opfer jedesmal mit einer Pistole an der Schläfe dazu gezwungen wurde, eine Entscheidung zu treffen. Ich hoffe nur, daß es die gleiche DNA in der Uhr ist und daß wir endlich Jemand finden, zu dem sie paßt."

“Ich denke, wegen den Gründen müßte ein Profiler ran, unsere Psychologen dürften damit überfordert sein. Ich denke, es hat etwas mit seiner Vergangenheit zu tun.” Keiner tat so etwas ohne entsprechenden Hintergrund, das wußten die meisten Cops. Nebenher sah Daecon zu, wie die Leiche langsam verpackt und weggeschafft wurde.

"Natürlich wird es mit seiner Vergangenheit zusammenhängen - Niemand tut so etwas ohne Grund, jedenfalls hoffe ich, daß es kein solch perverses Arschloch ist. Aber bevor wir uns Jemand holen, will ich, daß wir versuchen, so viel wie möglich an dem Fall zu lösen - sobald wir einen Profiler holen, nehmen sie uns alles weg und behandeln uns wie die letzten Deppen, das hatte ich schon einmal." Allein schon der Gedanke ließ Willard wieder wütend werden und er hatte gut damit zu tun, sich wieder zu beruhigen und die Arbeit des CSI zu beaufsichtigen. "Gehen wir, Deacon - ich möchte im Revier sein, wenn die Ergebnisse kommen."

Daecon seufzte innerlich. Sein Vater war zu sehr auf Ruhm aus, und das ärgerte den Jüngeren meistens. Ihm war wichtiger, daß der Fall schnell gelöst und nicht noch herausgezögert wurde, weil es Lücken gab, die ein Profiler hätte auflösen können. Er sagte aber nichts, da es eh keinen Sinn hatte und folgte seinem Vater, damit sie zurück zum Revier fahren konnten. “Ich werde dann mal recherchieren, ob es früher schon ähnliche Fälle gab.”

"Gut, Deacon - du kennst dich eh besser mit den Computern aus als ich, ich mag es lieber auf die altmodische Tour und die Infos auf einem Board, da man manchmal auf die Weise besser Zusammenhänge erkennen kann. Wegen ähnlichen Fällen - ich kann mich nicht daran erinnern, jemals so etwas Wahnsinniges erlebt zu haben. Morde, ja ... sogar einen Serientäter, der Frauen vergewaltigte und dann zerstückelte. Aber so etwas ... nein, sowas abartiges noch nie."

“Kucken schadet ja nichts. Vielleicht ist er auch von Europa herübergekommen.” Daecon würde auf jeden Fall mal nachsehen, und das, sobald sie wieder im Büro waren. “Ich hoffe nur, er schlägt nicht gleich wieder zu ... ein wenig Zeit wäre gut.”

Willard nickte nur und stieg ein, wartete, bis sein Sohn eingestiegen war und fuhr dann zurück ins Revier. In einem nahen Park schmunzelte ein junger, blauer Mann und stoppte eine der Aufnahmen, die er mit Minikameras in der Wohnung seines Opfers und auch außerhalb gemacht hatte und spulte zurück, um sie noch einmal anzusehen. Es war mehr als nur teuer gewesen, sich die Kameras zu besorgen ... doch es hatte sich gelohnt, denn nun konnte er sich nicht nur den Mord immer wieder ansehen, er hatte auch wunderbare Aufnahmen der beiden rothäutigen Riesen, denen sein Interesse galt. Es hatte ihn sehr viel Mühe gekostet, den anderen Detective zu beschäftigen, damit der Sohn des Inspectors diesmal mitkam - aber es hatte sich mehr als nur gelohnt. Mit diesen Gedanken startete der schlanke Blaue noch einmal die Aufnahme, auf denen Vater und Sohn zu hören waren und lächelte hart, als er sah, wie der ältere Rote ratlos vor sich hinfluchte. Der Jüngere wirkte viel ruhiger und Cecil schmunzelte, als ihm ein Gedanke kam. Die Idee war nicht einmal schlecht und so stoppte er die Aufnahmen völlig, da die Leute vom CSI inzwischen fertig waren, klappte den Laptop zu und steckte ihn in den Rucksack, den er schließlich auf seine schmalen Schultern hob. Er hatte noch vieles vorzubereiten - und Jemandem einen Brief zu schreiben.

 

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Der Fall gelangte natürlich an die Presse, und seither war die Hölle los. Wilde Spekulationen kamen in den Nachrichten, und das Revier wurde von der Presse belagert. Deacon war noch ruhig, sein Vater drehte allerdings fast ab. Er neigte dazu, hin und wieder zu einem Choleriker zu mutieren, und jetzt war er wieder dicht dran. Willard war gereizt, und ließ es seine Männer jeden Tag mehr spüren. Deacon war froh, daß er ein eigenes kleines Haus hatte, und nicht mehr unter dem Dach seines Vaters wohnte. Er hatte in den Tagen recherchiert, aber nichts gefunden. Die DNA-Auswertung war auch nur halbgar, denn in das Blut war ein Mittel gegeben worden, damit es nicht gerann, und das hatte die DNA fast gänzlich zerstört. Deacon packte jetzt aber zusammen ... es war schon wieder viel zu spät und er fuhr direkt zu seinem kleinen Haus, das zwar nur vier Zimmer hatte, aber es war sein Eigentum und nicht mal mit einer Hypothek belastet, was ihn sehr stolz machte. Er wohnte nicht so weit weg vom Revier, und kam daher schnell dort an und parkte in der Einfahrt. Als er zur Haustür ging, stutze er, weil dort ein kleines Päckchen lag ... er hob es vorsichtig auf und nahm den Brief davon herunter, der oben drauflag. “Kein Absender ? Hmmmm.”

Von der anderen Straßenseite wurde er jedoch beobachtet und Cecil schmunzelte unter der Deckung seiner langen Ponys, als er sich auf eine Bank setzte und dabei zusah, wie Deacon mit dem Brief und dem Paket nach innen ging. Doch es machte nichts, denn er öffnete erneut seinen Laptop und öffnete ein Fenster, so daß er durch eine weitere Kamera in das Wohnzimmer des Hauses sehen konnte. Er hatte sie und drei weitere Kameras erst vor zwei Tagen installiert, doch seither sehr viel von Deacon sehen können - und ein jedes Mal sammelte er weitere Informationen. So auch jetzt ... denn der große Rote setzte sich ins Wohnzimmer an seinen Schreibtisch, legte das Päckchen darauf und öffnete den beiliegenden Brief.

Er nahm einen kleinen Brieföffner, und öffnete den Brief damit gewissenhaft und ordentlich. Der Brief war ordentlich gefaltet, auch das Geschriebene war sehr ordentlich geschrieben. “Bitte lese dieses Buch, dann wirst du einiges verstehen. Das ist nur für dich Deacon, es wird dir bei deinen Entscheidungen helfen.” Mehr stand da nicht, aber es war ein kleines Zeichen unter dem Text, das Deacon erstarren ließ. Es war eine Pendelwaage, in deren Standfuß eine kleine Sanduhr gemalt war. “Was zum Geier ... woher ...?” Er wußte, von wem der Brief kam, aber wie kam der Kerl an seinen Namen und seine Adresse ?

Cecil hatte sehr viel erwartet - doch daß der große Rote eher nachdenklich und etwas mißtrauisch wurde und nicht in einen Wutanfall wie sein Vater verfiel, war etwas, mit dem der junge Blaue nicht gerechnet hatte. Es verwunderte ihn auch, daß Deacon den Brief unerwartet sanft auf die Seite legte, anstatt ihn zu zerknüllen, zu zerreißen oder gleich mit einer Pinzette in eine Plastiktüte zu verfrachten ... mit diesen Möglichkeiten hätte Cecil viel eher gerechnet, da er wußte, wie cholerisch der Vater und daß Deacon ein sehr gewissenhafter Cop war. Dann wurde der schlanke Blaue jedoch aus seinen Überlegungen gerissen, als er Deacon dabei beobachtete, wie dieser mit dem Brieföffner die Schnur durchschnitt, die das Packpapier um das Paket hielt.

Schnur und Papier legte er ebenso auf die Seite, und las den Titel des Buches. “Die heilende Wirkung konkreter Entscheidungen.” Deacon zog die Brauen zusammen und drehte das Buch herum, um den Buchrücken zu lesen. Es war von einem Psychiater geschrieben worden und zeigte dessen Behandlungswirkung auf, und welche Erfahrungen damit gemacht wurden. Deacon war jetzt hin- und hergerissen. Er wollte es gern gleich lesen, aber es war jetzt schon sehr spät, und Morgen hatte er nicht frei. “Verdammt ... wenn ich jetzt anfange, mache ich die Nacht durch.” Jetzt ärgerte er sich ein wenig, daß es so spät und daß dieses Buch so dick wie ein Telefonbuch war.

"Vielleicht auch nicht, Deacon ... öffne es, dann wirst du es sehen." Denn in diesem Buch war nur eine Stelle wirklich wichtig, und diese Stelle würde sehr leicht zu finden sein. Cecil fragte sich insgeheim, was der Mann, den er beobachtete, nun tun würde - denn er verhielt sich definitiv nicht so, wie er es erwartet hatte und der schlanke Blaue wurde ein wenig neugierig, ob Deacon das Buch und die Informationen darin für sich behalten oder in die Ermittlungen einbringen würde ... denn davon hing der weitere Ausgang seiner Pläne ab.

Deacon haderte noch immer, ob er nun gleich lesen sollte oder nicht, und betrachtete das Buch. Er stutzte aber, als er oben eine kleine, blaue Karte entdeckte, die zwischen die Seiten gesteckt war. “Ein Lesezeichen ... verflucht.” Jetzt mußte er nachsehen, und öffnete das Buch an genau der Stelle. Die Karte war blau und ein Pfau war darauf zu sehen, der in einem Fuß eine Waage, und in dem anderen die Sandur hielt. “Warum suchst du mich aus ?” murmelte der Rote und fing an, zu lesen. Es war ein Teil des Buches, wo der Autor eine gewisse Behandlungsmethode beschrieb.

"Weil du noch eine wichtige Rolle in meiner Rache spielen wirst, Deacon ... nicht ich war es, der dich ausgesucht hat, dein Vater hat dir deine Rolle zugewiesen." Niemand hörte die leisen Worte des schlanken Blauen, als er den jungen Detective beobachtete ... und er lächelte für einen Moment schmerzvoll, als er ihm dabei zusah, wie er das Lesezeichen betrachtete. Es war Cecils einzige Einnahmequelle, doch eine sehr gute: Er hatte schon früh entdeckt, daß er sehr gerne zeichnete, und nun verkaufte er seine Bilder an einen Verlag, der davon Poster, Lesezeichen, Blöcke und Ordner fertigte. Doch dieses Bild hatte er ihnen niemals für den öffentlichen Verkauf gegeben, sondern lediglich eine persönliche Edition aus sentimentalen Gründen erbeten. Denn dies war das erste Bild dieser Serie, das er vor zwei Jahren malte - und in ihm spiegelte sich alles wieder, das er ertragen mußte. Das in seinen Helligkeitsverläufen an Batikmustern erinnernde Blau, das ihn so warm in den Ohnmachten empfing, in die er nach seinen Bestrafungen fiel ... der einzige Hoffnungsstrahl in Gestalt dieses silbernen Pfaus, der in seiner Vorstellung entstand und die beiden Dinge hielt, durch die ihn seine Peiniger quälten: Die Waage für die Entscheidungen, die er fällen sollte und die Sanduhr für die geringe Zeit, die ihm dafür gegeben wurde. Denn ein jedes Mal, wenn die Sanduhr abgelaufen war und er die falsche oder gar keine Entscheidung fällte, wurde er bestraft ... härter und um ein so vieles schlimmer, wie alle anderen Jugendlichen, die von dem Psychiater damals behandelt wurden. Eine Behandlung, die in diesem Buch beschrieben wurde - auch wenn dort niemals die volle, grausame Wahrheit ans Licht kam.

Deacon las langsam und gewissenhaft, und verzog immer wieder das Gesicht. Der Mann beschrieb dort, wie er in einem Gefängnis an der Therapie arbeitete, und mit den Jugendlichen zusammenarbeitete. Er gab ihnen Vögel zum Versorgen und führte Interviews, warum sie diese oder jene Entscheidung gefällt hatten. Er wollte so den Grund herausfinden, warum die Jungen so schlechte Menschen wurden und wollte so herausfinden, ob sie von Grund auf Böse waren, oder nicht. In dem Buch stand weiter, daß sie die Jugendlichen Entscheidungen fällen ließen, die unter Zeitdruck gefällt werden mußten, und falsche Entscheidungen wurden mit einem Elektroschock bestraft. Dann stellte man sie vor die wichtigste Entscheidung: Sie mußten sich für das Leben des Vogels entscheiden ... oder ihn töten, und dürften sofort gehen. Ein junger Mann versagte bei dieser Entscheidung scheinbar und tötete den Vogel, weil er unbedingt gehen wollte. “Grausam ... wie kann man Kids vor solche Entscheidungen stellen ?”

"Sehr leicht ... denn in einem Gefängnis zählst du weniger als der Dreck unter den Sohlen der Wärter." Die Worte Cecils waren gefärbt von dem Schmerz und der Bitterkeit, die seit diesen Tagen sein Inneres erfüllten - Gefühle, die er haßte, doch sie waren auch sein Antrieb, um weiterzumachen und seine Pläne weiter auszuführen. Dann seufzte er jedoch und klappte den Laptop zu, stand auf und ging eine Straße weiter, um dort in den Hinterhof und zu einem fünfstöckigen Haus zu gehen, da er dort in einem Appartment wohnte. Er hatte es bewußt vor vier Monaten gewählt, damit er Deacon beobachten konnte ... denn es war nahe genug, damit er die Aufnahmen der winzigen Kameras, die er in Deacons Haus installiert hatte, empfangen konnte. Sie wurden auf einem zweiten Laptop, der in dem Apartment stand, aufgenommen und auch aufgezeichnet ... der Laptop, den er in der Hand hielt, war nur zum Ansehen oder für die Aufnahmen der Tatorte, die sich Cecil immer wieder ansah. Dann versiegten seine Gedanken jedoch, als er die Türe hinter sich schloß, den Laptop auf die Seite legte und zu der Leinwand trat, die er gerade bemalte. Der junge Blaue wußte, daß er schlafen mußte - doch er fürchtete die Alpträume und zögerte es hinaus, nahm die Palette in die Hand und mischte sich neue Farben, um wenigstens noch ein wenig zu malen und dabei Ruhe zu finden.

Derweil lag Deacon wach und grübelte nach. Er hatte noch im Internet nach dem Psychiater gesucht, und auch etwas gefunden. Der Mann hatte einen guten Ruf und galt als erfolgreich in der Therapie von kriminellen Jugendlichen. Aber wenn er bedachte, was der Mörder tat, und daß es von dieser Art Therapie ausgelöst worden sein konnte, fand er es mehr als nur gefährlich. Aber er hatte einen Anhaltspunkt, und würde es Morgen auf dem Revier seinem Vater berichten.

 

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