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”The Choice” 04
 

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Die Zeit verging sehr schnell und ehe Willard es sich versah, war es Abend und er seufzte erleichtert, als er die Akte zuklappte. "Genug für Heute - diesmal gehe ich, noch eine Nacht will ich nicht hier verbringen. Komm, gehen wir ... du hast mir ein Abendessen versprochen."

“Das bekommst du auch.” Deacon grinste und sie machten sich vom Acker. Es dauerte auch nicht lange, dann waren sie in dem kleinen Haus und Deacon fing an, zu kochen. Er wußte, daß jetzt eine Gelegenheit war zu erzählen, und der erwartungsvolle Blick seines Vaters sagte so einiges aus. “Du willst, daß ich erzähle, oder ?”

"Klar, Kleiner ? Ich habe das dumme Gefühl, du weißt viel mehr über diese Morde, als du im Revier gesagt hast ... also schieß los." Er war ihm nicht böse, da dort gerade im Moment alles abgehört und aufgezeichnet wurde, und er dem FBI gewiß keine Infos geben wollte, die sie gar nicht verdienten. Denn dieser Fall war der ihres Reviers, und er wollte ihn auf keinen Fall abgeben.

“Weiß ich auch. Ich weiß, wer es ist und ich weiß, wie er aussieht, weil er Kontakt zu mir aufgenommen und mir quasi Spuren gelegt hat. Er will, daß ich ihn finde.” Deacon mußte seinen Vater nicht ansehen, er wußte, daß er sicher kreidebleich wurde, und den Mund nicht mehr zubekam. “In meinem Arbeitszimmer liegt alles, was ich von ihm habe, und auch Akten von dem Psychiater. Nach dem Essen kannst du sie sichten.”

Im ersten Moment stand Willard wirklich der Mund offen und das Blut wich aus seinem Gesicht, als er das hörte. Doch dann fing er sich wieder und lehnte neben Deacon an die Spüle, seufzte leise und schüttelte unbewußt den Kopf. "Ehrlich ? Langsam wird mir der Kerl unheimlich. Zuerst einmal, woher kannte er dich und wußte, daß du an dem Fall arbeitest ? Es kam mir schon so seltsam vor, daß du kurz vor dem Mord bei dem Psychiater gewesen bist. Und ja ... wenn er dir Hinweise zukommen läßt und so zuläßt, daß du seine Identität kennst, dann will er auch, daß du ihn findest. Aber wieso ? An den Tatorten ist keinerlei Hinweis, keine Spur, nichts ... da ist er so gründlich. Wieso will er ausgerechnet, daß DU das alles raufindest ? Das macht doch überhaupt keinen Sinn. Auch die Morde, das ist alles so unzusammenhängend, weißt du, wieso das alles passiert ?"

“Die Morde hängen teils doch zusammen. Ich zeig dir alles nach dem Essen, ich denke, dann wirst du es verstehen. Nur der eine Mord, da weiß ich auch nicht.” Es war der von ihrem Freund und Kollegen. “Erstmal essen.” Deacon hatte Hunger, sein Vater bestimmt auch ... und mit vollem Magen war der Kopf etwas klarer, und so gab er die Steaks und die Bratkartoffeln auf die Teller und legte jeden von ihnen noch ein dickes Stück Kräuterbutter dazu.

"Verdammt - es ist schon so lange her, daß ich so etwas gutes gegessen habe, danke dir, Junge." Während er sprach, setzte sich der Ältere mit dem Teller hin und ließ es sich schmecken, während sich eine angenehme Stille auf sie senkte. Es war immer schon schön gewesen, einfach dazusitzen und gemeinsam zu essen - und als sie endlich fertig waren, stand Willard auf und spülte sein Geschirr ab, nahm sich ein Bier aus dem Kühlschrank und wartete darauf, daß auch Deacon fertig wurde. Erst, als auch dieser sein Geschirr abgewaschen hatte und sich ein Bier nahm, seufzte Willard und nickte zu seinem Sohn. "Und nun will ich alles wissen, Kleiner."

“Ich werde dir alles erzählen und zeigen.” Deacon nahm einen Schluck Bier, und holte dann die Kiste, die er ins Wohnzimmer stellte. Er hatte darin auch das Buch verstaut, und holte das zuerst heraus. “Das hier ist das Erste, das ich bekam, und den Brief. In dem Buch ist ein Lesezeichen, es markiert eine Behandlungsmethode von dem Psychologen. Schon als ich das las, war ich nicht gerade begeistert. Er läßt Jugendliche durch Wählen Entscheidungen treffen, und das muß innerhalb einer Minute passieren. Ich finde, man sollte in so kurzer Zeit keine Entscheidung treffen müssen, wenn es nicht ein unbedingter Notfall ist.” Er ließ seinen Vater lesen, und nippte nochmal an dem Bier. “Ich wollte es dir eigentlich gleich am nächsten Tag zeigen, aber da mußtest du mich von dem Fall abziehen, und ich war doch ziemlich sauer.” Er gab das offen zu, und holte schon die Akten hervor. “Ich suchte also nach dem Psychologen, fand ihn und fuhr in dessen Haus bei der Klinik. Er ließ mich bereitwillig hinein, war aber an sich nicht so gesprächig. Dafür hat er mir die Akten von zehn Jugendlichen, die er im Jugendgefängnis behandelt hatte gegeben, und da kommen dann die Wärter ins Spiel. Sie waren dort damals angestellt, und halfen dem Psychologen bei der Arbeit ... leider etwas zu eifrig.” Sein Gesicht verzog sich angewidert. “Sie hatten viel zu viel Spaß an dem, was sie taten.” Deacon reichte seinem Vater die ersten neun Akten, und legte jetzt auch die Videos in den Rekorder, um sie abzuspielen. Schon bei den harmloseren Aufnahmen sah er, wie angewidert sein Vater war, und er ließ ihm Zeit, zu jedem der Jungen die Akte zu lesen. Erst, als alle neun durch waren, schob er ihm die Akte von Cecil herüber. “Das hier ist unser Täter, von ihm gibt es viel mehr Aufzeichnungen ... fünf private Aufnahmen sind dabei, die eine Straftat nach der anderen zeigen.” Man sah ihm an, wie angewidert er war. “Aber am Besten, du siehst es dir an.” Jetzt legte er diese Kassetten ein, und setzte sich zu seinem Vater.

Schon als er die erste offizielle Aufnahme sah, fiel Willard auf, daß dieser Jugendliche viel härter als die Anderen herangenommen wurde und knurrte leise, als er sah, wie ein stärkerer Stromstoß oder ein Schlag des Wärters als Bestrafung verwendet wurden. Dabei las er sich auch die Akte durch, während der Doktor sprach und knurrte angewidert, als er die lapidaren Formulierungen in den Akten las und ganz genau wußte, was das bedeutete. "Das ist doch nicht wahr, oder ?! Der Junge wurde Zeit seines Lebens mißhandelt ... und zwar sexuell, und auch vielfach geschlagen. Sie haben es dauernd runtergespielt - es dauerte ewig, bis sie ihn von dem ersten Ehepaar wegbrachten, und dann kam er in eine noch schlimmere Familie. Und auch hier scheint es wieder ganz genauso zu laufen, Deacon - er ist so hübsch, daß die Schweine auf ihn fliegen, und dann geben sie ihm die Schuld für ihre Verdorbenheit. Laß mich raten ... auf den 'privaten' Kassetten sieht man die Ärsche dann dabei, wie sie ihn rannehmen, oder ? Schieb sie rein, ich will alles wissen."

“Ja, es zeigt genau das.” Deacon schob das erste Video in den Recorder, und nach und nach die anderen. “Ich kann das kaum nochmal sehen. Ich kann verstehen, daß er so geworden ist, voller Rache. Der Anwalt, der starb, hat ihn damals vertreten ... ich denke, daher mußte er sterben.”

Willard nickte nur und knurrte wieder, als er sich die Videos ansah. Am Meisten entsetzte ihn die kalte und verleugnerische Art, die der Doktor an den Tag legte ... und die man immer wieder hörte. Als am Ende des letzten Videos gezeigt wurde, wie der Doktor Cecil die Entscheidung mit dem Vogel aufzwang, biß sich Willard in die Unterlippe, denn er konnte wie sein Sohn nur zu gut sehen, wie sehr der junge Blaue das kleine Tier liebte. Doch noch mehr als das schien der junge Mann von seinen Peinigern fortzuwollen und brachte deshalb den Vogel um, damit er frei sein konnte - und als der ältere Rote sah, wie die Wärter ihn nicht nur schlugen, sondern auch zu zweit vergewaltigten, konnte er sich nur mit großer Mühe dazu zwingen, weiter zuzusehen. Das Schlimmste kam allerdings noch ... denn als der junge Gefangene sich schwach wehrte und den einen Wärter beim Blasen biß, riß ihm dieser seine Fingerkrallen von der Stirn bis zum Kinn einer Gesichtshälfte herab, und schlug ihn dazu noch. Und der Doktor befahl danach, daß Cecil für einen Monat in Einzelhaft sollte, und daß sie den Kadaver des Vogels in seine Zelle werfen sollten - denn nur so würde sich das Böse aus dessem Inneren lösen können. Daß Cecil schwere Wunden am ganzen Körper hatte und auch aus seinem After blutete, wollte Niemand wahrhaben - und als die Kamera ausblendete, schaltete Willard den Fernseher aus und schüttelte fluchend seinen Kopf. "Wie kann es so etwas nur geben ?! Ich dachte, wir haben Gesetze, um so etwas zu verhindern, aber ..." Dann stockte er jedoch, als die Klingel läutete und blickte Deacon verwundert an. "Erwartest du noch Jemanden ?"

“Nein, eigentlich nicht.” Deacon ging zur Tür und öffnete sie. Da war keiner mehr, und vor seinen Füßen lag ein kleines Päckchen, und ein Briefumschlag. Beides hob er auf, und brachte es hinein. “Das muß von ihm sein.” Er öffnete das Päckchen und fand darin etwas, das er nicht erwartet hatte. Es war eine Haarlocke und ein Ring, den er kannte. “Dad ... das ist der Ring von Mom ... ” Er riß sofort den Umschlag auf und öffnete die Karte, die ebenso einen gezeichneten Pfau zeigte. “Er will, daß wir zu einem Lagerhaus kommen, unbewaffnet.”

Im ersten Moment war Willard nicht imstande, zu antworten ... denn als er die Locke und den Ring sah, gaben ihm die Knie nach und er setzte sich auf einen der Stühle, ehe er mit bebenden Fingern das kleine Schächtelchen nahm und die Locke berührte. Er bemerkte gar nicht, daß Tränen über seine Wangen rannen und schloß für einen Moment die Augen, ehe er sich faßte und zu seinem Sohn blickte. "Was ist das nur für ein grausames Spiel, Deacon ? Er spielt mit uns ... und er beobachtet uns, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Und natürlich sollen wir unbewaffnet kommen, sonst könnten wir ihn ja abknallen. Und weißt du was ? Wir sind so dumm und tun es auch ... ich jedenfalls schon, denn ich will wissen, wie zum Teufel er an den Ring und die Locke kommt, und wieso er dich beobachtet und uns in dem Lagerhaus haben will."

“Ich werde natürlich auch mit hingehen und irgendwie fürchte ich, es ist genau das, was er will.” Deacon setzte sich kurz neben seinen Vater, und legte ihm die Hand tröstend auf die Schulter. “Wir werden es schon herausfinden, und sollten dann los.”

Willard nickte nur und schloß seine große Hand um die Schachtel, ehe er aufstand, sie in seine Jackentasche steckte und die Jacke auf die Seite legte, damit er sein Pistolenhalfter ausziehen und auf den Tisch legen konnte. Erst jetzt zog er die Jacke an und seufzte leise, wartete, bis auch sein Sohn das Halfter ausgezogen hatte und ging dann mit ihm nach draußen, damit sie mit Deacons Wagen zu der Adresse fahren konnten. Es dauerte eine Weile, doch schließlich kamen sie zu einer verlassenen Gegend, in der auch alte, leere Lagerhäuser standen - der ideale Ort für einen Hinterhalt, doch sie mußten es riskieren. 

Das wußten sie beide und sie liefen freiwillig in die Falle, die man ihnen gestellt hatte. Deacon öffnete die Tür der dunklen Lagerhalle, und sie traten vorsichtig ein. Er war extrem wachsam, genau wie sein Vater ... dann hörte er die Tür hinter ihnen zuschlagen, und das Klicken, das erklang, wenn eine Waffe entsichert wurde.

Im gleichen Augenblick ging auch die eher spärlichere Beleuchtung der kleinen Lagerhalle an und Cecil trat von der Wand hinter der Türe weg, während er den Lauf seiner Pistole auf Deacon gerichtet hielt. "Danke, daß ihr euch so beeilt habt - so mußte ich nicht lange auf euch warten. Geht ein wenig weiter rein, ja ? Und nicht zu weit auseinander, damit ich euch gut im Blick habe."

Deacon blickte den Jüngeren offen an, da er ihn jetzt zum ersten Mal richtig sehen konnte. Er war einen Tick größer als auf dem Video, etwas maskuliner und doch androgyner, und hatte eine wirklich angenehme, schöne Stimme. Über der vernarbten Gesichtshälfte waren die Haare, und es stand ihm wirklich gut. Aber seine Augen waren irgendwie leer, er schien sich aufgegeben zu haben. Sie gingen weiter bis zum Tisch, und als Deacon die Bilder in der Waage und die Waffe auf dem Tisch sah, verstand er. “Warum das ?”

Auch Willard war zu den Tisch getreten und seine Augen weiteten sich, als er in der einen Waagschale ein Foto von sich und in der anderen Schale eines von Cecil sah. "Deacon hat recht - wieso das alles ? Wieso die Morde ... und weshalb hast du uns hierhergerufen, und wieso soll Deacon zwischen uns wählen ?" Die Wut, die sich für einen kurzen Moment entwickeln wollte verschwand ebenso schnell wieder, als der ältere Rote daran dachte, was diesem jungen Mann alles passiert sein mußte ... doch er blieb ernst, denn er wollte wenigstens den Grund für all das wissen. Cecil hingegen hatte das schon erwartet und trat noch ein wenig näher, blieb jedoch aus der unmittelbaren Reichweite der beiden Roten und lächelte schließlich wehmütig. "Wieso ? Nun ... wenn du es wirklich genau wissen willst, bist du der Grund, Willard." Im ersten Moment war dieser zu verblüfft, um etwas zu sagen - doch als er sich wieder fing, sprach der schlanke Blaue weiter und seine Stimme wurde im gleichen Maße ernster, wie seine Augen leerer wurden. "Kannst du dich noch daran erinnern, als du vor knapp zwanzig Jahren dem Streß daheim entflohen bist und dich in die Arbeit gestürzt hast ? Deine Frau war daheim und hatte nur ihren zwei Jahre alten Sohn, da ihr erst seit wenigen Monaten in euer neues Haus gezogen wart. Ihr habt oft gestritten, und so suchte sie sich Trost bei einem deiner Freunde - und aus dem Trösten wurde mehr, sie schliefen miteinander, und zwar so oft, daß Margerie schwanger wurde." "Woher ... woher weißt du das ?!" Willard war, als hätte man ihm in den Magen geschlagen - denn er konnte sich noch mehr als nur gut an diese Zeit erinnern und auch daran, daß ihm alles zuviel wurde und er einfach weiterarbeitete, da er es daheim nicht aushielt. "Es hat mich sehr viel Geld und auch Zeit gekostet, einiges davon herauszufinden - doch das Meiste hat mir deine Frau erzählt, als ich sie vor einem Jahr in ein Motel rief, und mit ihr redete."

So bleich hatte Deacon seinen Vater noch nie gesehen, und ihm selbst kam auch eine Erinnerung. Seiner Mom ging es einige Zeit nicht gut, da war er gerade drei gewesen. Sie war also schwanger gewesen, und Cecil war sein Bruder. “Dad ? Stimmt das ?”

Jener blickte nur zu dem schlanken Blauen, der noch immer die Waffe auf sie gerichtet hatte und nickte langsam, ehe er sich auf den Stuhl setzte, der an dem Tisch stand, und leise fragte. "Sag es ... ich möchte alles wissen." Das hatte Cecil erwartet und er nickte langsam, ehe er weitersprach. "Eigentlich habe ich gar nicht damit gerechnet, daß sie kommt - doch sie tat es und es war einer der schlimmsten Momente in meinem Leben, und ihr könnt mir glauben, daß ich es niemals leicht hatte." Für einen Moment schien Cecil in Erinnerungen gefangen zu sein, als sein Blick abwesend wurde ... doch es dauerte nur einen Herzschlag, dann fixierte er die beiden Männer wieder und die vorige Leere in seinen Augen füllte sich langsam mit all dem Schmerz und der Wut, die er bisher in sich vergraben hatte. "Bis ich Margerie traf, dachte ich immer, eine Mutter müßte das Kind, das sie in sich trägt, doch wenigstens ein wenig lieben - doch sie war so voller Haß, daß ich es fast nicht glauben konnte. Sie erzählte mir, wie sie einen jeden Moment ihrer Schwangerschaft gehaßt hatte ... und wie froh sie war, als du damit einverstanden warst, mich wegzugeben, Willard. Sie hätte es sogar verlangt, wenn ich rote Haut gehabt hätte ... doch da ich blau war, mußte sie nicht einmal etwas sagen, denn du warst ebenso froh, daß ich weg war, du hast dich nicht einmal danach erkundigt, in welches Waisenhaus ich kam. Kannst du dir vorstellen, wie es ist, wenn man als einziges blauhäutiges Kind innerhalb von rothäutigen Kindern aufwächst, und so schlank ist wie ich ? Bis ich mit neun Jahren adoptiert wurde, hatte ich schon vier Rippen, zweimal den rechten, einmal den linken Arm, und mehrfach meine Beine gebrochen. Die Leiter achteten nur darauf, daß man mein Gesicht nicht verletzte - denn das konnte man vor den Besuchern nicht verhüllen oder als Kinderstreitigen verkaufen. Und ihnen war auch egal, wer mich adoptierte ... und daß dieser Mann der Erste war, der mich nicht nur schlug, sondern auch vergewaltigte. In den Jahren, die ich dort verbringen mußte, sehnte ich mich danach, endlich geliebt zu werden - doch stattdessen wurde ich dafür bestraft, daß deine Frau mir ihre Schönheit und ihre schlanke Figur vererbte, Willard. Als die Nachbarn dann endlich die Polizei riefen, damit man mich dort herausholte, hoffte ich, daß ich nun endlich in eine gute Familie käme - und ich wurde auch zu einer Familie gegeben. Nur daß es dort noch schlimmer war als zuvor ... ich bin sicher, ihr habt es in den Akten gelesen, da dies endlich einmal aktenkundig wurde, auch wenn die Polizisten mir niemals glaubten. Sie gaben mir alle die Schuld für das, was passierte ... sogar die Wärter und der Psychologe. Als ob ich ein Schild auf meiner Brust tragen würde, auf dem 'kostenlose Hure und Sandsack' steht ... tue ich das vielleicht ?!" Für einen Moment brach sich der Schmerz Cecils Bahn und seine Stimme wurde lauter - doch dann fing er sich wieder und lächelte hart. "Sie alle haben dafür bezahlt ... zumindest die, die ich noch finden konnte. Die Wärter, die mich schlugen, vergewaltigten und folterten ... der Psychologe, der sich daran aufgeilte und mich dazu zwang, meinen einzigen Lichtschein zu töten und dann einen Monat lang allein in einer schmutzigen Zelle dabei zuzusehen, wie er langsam verfaulte, während meine eigenen Wunden eiterten und schließlich vernarbten. Der Anwalt, der sich nur zu gern bestechen ließ, um mich damals wegen Mordes hinter Gitter zu bringen ... doch am Meisten schmerzte mich die Tatsache, daß meine eigene Mutter sich damals vor einem Jahr lieber erschoß, als mich als ihren Sohn anzuerkennen und zu sich zu holen."

Deacon kuckte zwischen seinem Vater und Cecil hin und her. Sein Vater hatte nicht gewußt, wie es seinem Halbbruder erging, das sah man und Cecil weinte mittlerweile, war aber ansonsten ganz ruhig. “Und jetzt willst du, daß ich wähle. Zwischen meinem Vater und meinem Halbruder, den ich nie kennengelernt habe und jetzt weiß, daß er da ist, und ihn nicht wieder hergeben will ?” Deacon sprach leise, und musterte den schlanken Blauen. Er wollte ihn im Moment einfach nur beschützen und ihm all das geben, was er bisher nie bekommen hatte. Seinem Vater ging es scheinbar ähnlich.

Doch Willard sagte nichts, da Cecil die Pistole nun auf Deacon richtete und langsam näherkam, um die Sanduhr auf der anderen Seite des Tisches umzudrehen. "Ja, Deacon - genau das ist deine Wahl. Und du hast Zeit, bis das  Blut durchgelaufen ist, sonst erschieße ich euch beide." Während er sprach, trat Cecil wieder zurück und blieb einige Meter von dem Tisch entfernt stehen, um Deacon und dessen Vater zu beobachten.

Deacon nahm widerwillig die Pistole auf, die vor ihm lag. Er wollte keinen von beiden erschießen und man sah an seinem angespannten Gesicht, daß er angestrengt nachdachte, was zu tun war. Eine Minute war nicht lang, und das Blut war fast durchgelaufen. Er war sicher, daß Cecil damit rechnete, erschossen zu werden, aber den Gefallen tat er ihm nicht und er schrie laut auf, als der letzte Tropfen Blut herabtropfte. “NEIN ! Ich werde ganz bestimmt nicht wählen, das kannst du vergessen !”

Der schlanke Blaue lächelte nur leicht und nickte - dann nahm er die andere Hand hoch, umschloß die Pistole mit beiden Händen und drückte ab. Noch im gleichen Moment schrie Willard auf, da Cecil auf seinen Sohn gezielt hatte und erstarrte, denn man konnte auf die Entfernung nicht danebenschießen.

Deacon erschrak eigentlich weniger, er zielte und schoß ebenso - nur daß er den Blauen nicht direkt anschoß, er verpaßte ihm einen Streifschuß am Kopf. Daß kein Schmerz von dem anderen Schuß kam, hatte er bis dahin nicht wahrgenommen. Er legte die Waffe sofort auf die Seite, und fing den taumelnden Cecil auf. “Du hast geblufft ... ich will dir nichts tun, ich will für dich da sein..” Deacon zitterte jetzt ... er war unverletzt, und jetzt kam sein eigener Schock erst richtig hoch.

Als sein Halbbruder auf ihn schoß, schloß Cecil die Augen und erwartete schon den Schmerz, der dem Tod voranging. Als die Kugel ihn striff, zuckte der schlanke Blaue zurück und taumelte, doch dann schlossen sich starke Arme um ihn, und er hörte die Stimme Deacons an seinem Ohr. Die leise gewisperten Worte waren so unerwartet, daß Cecil erstarrte ... doch dann blickte er verwundert zu ihm auf, ehe er ohnmächtig wurde. Willard hingegen stand auf und kniete neben den beiden auf den Boden, holte ein Taschentuch heraus und gab es Deacon, ehe er die Waffe Cecils aufnahm. "Presse es auf seine Wunde - er verliert zuviel Blut und ist viel zu schlank, um viel verlieren zu können." Dann nahm er das Magazin aus der Pistole und eine Kugel heraus, fluchte kurz, und blickte wieder zu seinem Sohn. "Verdammt, Deacon - das sind Platzpatronen. Der Kleine hatte niemals vor, uns etwas zu tun ... er wollte, daß wir ihn töten." Schon beim Betrachten der Videos hatte sich Willards Innerstes für diesen jungen Mann geöffnet ... doch als er hörte, was ihm passiert war und den Schmerz sah, den Cecil in sich trug konnte er nicht anders, als sich für sein damaliges Verhalten zu schämen. Also begann er nachzudenken und betrachtete Deacon, der noch immer seinen Halbbruder in den Armen hielt.

“Wir können ihn nicht wieder ins Gefängnis bringen. Ich will mich um ihn kümmern, Dad ... er hat es verdient.” Er wollte ihn nicht wieder einsperren, und blickte seinen Vater flehend an. “Du willst ihn auch nicht ausliefern, oder ? Er hat so viel gelitten.” Es war eigentlich falsch - Cecil hatte grausame Morde begannen, und doch konnte er ihn nicht ausliefern.

Der ältere Rote seufzte leise und sah zu dem Verletzten in den Armen Deacons, ehe er zu ihm aufblickte und leicht lächelte. "Nein, ich will es auch nicht. Auch wenn wir es als Cops müßten, ich will ihm nicht noch mehr Leid zufügen, als ich es schon getan habe. Weißt du, Kleiner - auch wenn wir es dir nicht zeigten, seit deine Mutter mit ihm schwanger war, war unsere Beziehung zerrüttet und die letzten Monate, seit du ausgezogen bist, haben wir nur noch gestritten. Mich wundert es nicht, daß sie sich mit Freuden umbrachte - sie hat es schon daheim mehrfach versucht. Und um ehrlich zu sein, Cecil hat nicht einmal die Anderen umgebracht, das haben sie selbst getan, auch wenn er sie zu einer Entscheidung zwang. Ich wette was, er hatte immer Platzpatronen in der Pistole ... und wenn sie es richtig gemacht hätten, dann wären alle noch am Leben, auch wenn sie ihre gerechte Strafe bekommen hätten. Wir packen erst einmal alles ein und fahren dann zu dir, ja ? Dort können wir dann weiter planen und ihn versorgen."

“Gut.” Deacon sagte nichts mehr und hob den Schlankeren auf die Arme, um ihn vorsichtig zum Auto zu tragen. Sein Vater sammelte derweil die Sachen ein, die hier standen. Beim Auto legte Deacon den Blauen sacht auf die Rückbank und deckte ihn zu, aber dann entdeckte er das Motorrad und den Helm. Er brauchte aber nichts zu sagen, sein Vater setzte sich auf die Maschine, und fuhr damit los. Also stieg Deacon in den Wagen ein und blickte noch kurz auf die Rückbank, ehe er losfuhr, und den Weg Richtung Haus einschlug. Dort würden sie sich um die Wunde kümmern, und weiter beraten.

 

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